Blau, blau, blau sind alle meine Kleider

Vor vielen, vielen, vielen Jahren hatte ich einige Meter Seidentaft in einem wunderbaren, knalligen Blau, die ich zu einer Robe à la française verarbeiten wollte. Zuerst aber wollte ich wissen, ob dieser Farbton historisch korrekt ist. Jemand schickte mir ein Bild, auf dem so ein Blau zu sehen war, und damals reichte mir das. Inzwischen sehe ich das anders.

Vor einer Weile blätterte ich durch eine Museums-Webseite, und es war wohl teilweise Zufall, daß mehrere Bilder zusammengruppiert waren, auf denen leuchtendes Blau die dominierende Farbe war. Es waren alles Miniaturen, genau wie das Bild, das man mir geschickt hatte.

Erfreulicherweise setzt sich zumindest außerhalb Deutschlands bei Museumsverantwortlichen zunehmend die Erkenntnis durch, daß die den Museen anvertrauten Artefakte keine privaten Pfründe der Kuratoren sind, sondern eine Allmende. Und so konnte ich die Bilder herunterladen, um sie hier ganz legal zu präsentieren. Sie sind ungefähr zeitlich sortiert, aber das ist eigentlich unerheblich. Continue reading

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Der Kalmang ist fertig

(Hier die Melodie zum Titel)

Im Nachhinein glaube ich, daß es weniger Mühe gewesen wäre, Kettstreifen zu machen –  wenn ich zu Anfang des Projekts einen Schärbaum gehabt hätte. Beim Direktzetteln sind Farbwechsel, deren Rapport sich nicht in zwei-Zentimeter-Sektionen einfügt, überaus mühsam. In diesem Fall hatte eine Sektion 40 Fäden, ein Farbrapport hingegen 15 Streifen à 5 Fäden, also 75 Fäden. Falls ich als Mathe-Niete die Sache mit dem kleinsten gemeinsamen Vielfachen richtig verstanden habe, wäre das kgV(40,75)=600. D.h. die Farbabfolge der ersten Sektion kommt erst in der einunddreißigsten (nach 600 Fäden) wieder vor. Ich hätte also 30 mal den Zettelkasten immer wieder neu fädeln müssen.

Wie die Dinge lagen, war es wohl doch einfacher, alle 5 Schüsse das Schiffchen zu wechseln, alle 75 Schüsse die Spulen, und die Fadenenden lose an der Seite raushängen zu lassen. Eine Gaudi war es aber nicht.

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Nachts im Museum — Details 4

Mädchenkleid (Jacke und Rock), Frankreich, um 1785

Seit Jahren predige ich, daß Dupionseide für Repro-Kleidung des 18. Jh. nicht geeignet sei, und dann kommt so ein Kleid daher. Aber eigentlich widerspricht es meiner Aussage nicht, wie ich sogleich darlegen werde.

Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, daß ein leinwandbindiger Seidenstoff mit Verdickungen automatisch Dupion sei. Das ist, wie der Mathematiker sagt, eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung. Oder anders ausgedrückt: Jede Dupionseide ist leinwandbindig und hat Verdickungen, aber nicht jede leinwandbindige Seide mit Verdickungen ist Dupion. Continue reading

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Nachts im Museum — Details 3

Nachdem mein heimisches Computer-Setup dem covid-19-bedingten Homeoffice weichen mußte, kam ich monatelang nicht mehr an meine gesammelten Bilder ran. Jetzt geht es wieder, allerdings habe ich vergessen, welche Details aus GNM und BNM ich präsentieren wollte. Ich habe daher einfach ein paar Bilder herausgesucht, die ich spannend fand, auch ohne Zusammenhang untereinander.

Rote Robe, um 1740 (BNM)

Die Rote Robe habe ich zwar schon in den beiden ersten “Nachts im Museum”-Artikeln erwähnt, aber vergessen die Datierung des Museums hinzuzufügen. Man geht davon aus, daß es um 1740 als Andrienne gefertigt und dann um oder vor 1775 so abgeändert, daß die Taille anliegt. Wahrscheinlich kam bei dieser Gelegenheit auch die Compère dazu; 1740 wäre dafür doch etwas früh.

Den Stoff und die Ärmel haben wir schon genauer betrachtet.

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Der Kalmang nimmt Gestalt an

Ich stelle gerade fest, daß mein letzter Eintrag zum Thema fast ein Jahr her ist. In der Zwischenzeit habe ich ca. 15 Kilometer Kammgarn gesponnen und gefärbt: je 7 Helligkeitsstufen Blau und Gelb, dazu Weiß, macht 15. Ein Kilometer pro Farbe.

Ach, wegen der Faser: Größtenteils Romney von Heimatwolle, teils auch von das-wollschaf.de, sowie etwas Texel vom Wollschaf. Die unterschiedlichen Fasern haben sich leider auch auf das Färbeergebnis ausgewirkt, indem die Farbe unterschiedlich gut angenommen wurde. Nächstes mal also immer nur eine Faser!

Blau ist bei Hobby-Färber*innen besonders gefürchtet, wohl weil es als Küpenfarbe etwas aufwendiger ist als eine getrocknete Pflanze in Wasser aufzukochen. Tatsächlich ist es einfacher als Gelb, wenn man einen Farbverlauf färben will. Man muß nämlich nur die Küpe immer stärker verdünnen. Bei Gelb hingegen nahmen die verschiedenen Schafrassen die Farbe unterschiedlich gut an, so daß ich teilweise mit 200% (also 200 g Färbedroge pro 100 g Wolle) bei der einen Rasse auf einen blasseren Farbton kam als mit 100% bei einer anderen. Die helleren Töne habe ich mit Färberkamille gemacht. Die dunkelsten zwei Gelbtöne habe ich vorsichtig mit Zwiebelschalen überfärbt, die bei hoher Konzentration einen Kupferton ergäben.

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20 Jahre marquise.de

Eigentlich wollte ich nur nachschauen, wann ich angefangen habe, Webseiten zu erstellen. So genau läßt sich das nicht mehr eruieren, aber meine Indexseite bietet eine Art Kurz-Historie:

~~ Established October 1996 ~~
moved from geocities.com out of protest July 1998,
found a new home at costumegallery.com,
and grew up to a domain of its own in June 1999

Es muß 1994 gewesen sein, da war das WWW noch ganz neu und dünn besiedelt, und alle surften mit Mosaic. Meine Informatik-Kommiliton*innen waren noch fast die einzigen, die Zugang zum ganzen Internet hatten – mein Zugang war bis dahin eine BBS gewesen, die eMails und Newsgroups bereitstellte, also nur kleine Teile des Internets.

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Heureka, alea iacta, etcetera

Auf einen Tip auf Ravelry hin habe ich ein Buch über Norwich-Stoffe* bestellt, und obwohl ich noch keine Zeile gelesen habe, hat es mich bereits weitergebracht. Auf dem Cover sind nämlich ein paar gestreifte Kalamanks abgebildet, und obwohl die Bildauflösung nicht superb ist, kann man die Bindung auszählen, weil der Weber so freundlich war, die Kette an einer Stelle abwechselnd aus grünen und gelben Fäden zu machen und zusätzlich den Schuß in Rot.

Mit Hilfe des Rasters kann man recht gut erkennen, daß der Versatz der roten Schuß-Punkte in der Waagerechten zwei beträgt, und daß zwischen zwei roten Punkten in der senkrechten vier Kästchen Grün bzw. Gelb liegen.

5-bindiger Atlas. Alle Zweifel sind beseitigt.

*) Thelma Morris, “Made in Norwich” : 700 years of textile heritage. o.O., 2008

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The Calimanco Project

My newest spinning and weaving project is calimanco, an 18th century fabric. The research journey has been documented in the German-language articles in this category, but since it proved rather difficult to find detailed information, I thought I should do my little bit to remedy that by sharing my findings with the international community.

When I learned that in the 18th century there had been damasks and even brocades made from wool, I was fascinated. I hadn’t thought it possible that damask, let alone brocade, could be made from anything else than silk. (Historically, of course. Forget about poly right this instant! Shoo!)
Well, ok, there’s linen, for household textiles, but those were more or less white and definitely not used for clothing.

Now I’ve inadvertently introduced the answer to the question that often crops up, “How on earth can wool, let alone that of those coarse longwool breeds, mimick silk?” Simple answer: Colours. Both silk and wool are easy to dye with period dyestuffs, and keep the colours well. Linen and cotton are and do not. That’s basically it. With a non-crimpy, shiny wool and calendaring, you even get a sheen that would look almost, but not quite, entirely unlike that of silk. (I haven’t seen a freshly calendared period calimanco in person yet, though.)

Linda Baumgarten writes in What Clothes Reveal, “Colorful calimancoes that had been glazed mimicked more expensive silks, yet their long-lasting worsted fiber content was appropriate for a workingwoman’s garment.” (p. 114) There’s a picture of a striped and a brocaded worsted fabric on the same page.

As long as I don’t own a drawloom, a damask or even brocade is unattainable, but the Nordiska Museet also has a multitude of samples of striped worsted fabrics that seem doable. I found a name for that type of fabric: calimanco. Here’s what they look like:

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Calimanco in Textquellen

Je länger ich in google books und archive.org wühlte, desto mehr Schreibweisen von Calimanco / callimanco / calamanco / Kalamank / Kalmang / calamandre fand ich, und mit diesen als Suchbegriff immer mehr Textquellen. Der Übersichtlichkeit halber widme ich ihnen einen extra Artikel.

Die Antworten auf drei Fragen hoffe ich darin zu finden:

  1. Ist die Kette einfädig oder gezwirnt? Und der Schuß?
  2. Welche Webart?
  3. Wofür wurde Kalamank verwendet?

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Alle Maschinen stop!

Es ist etwas schreckliches passiert.

Ich habe auf einigen Bildern aus der Anders-Berch-Sammlung verdächtige Streifen an den Schmalseiten einiger Stoffproben gefunden. Die Auflösung ist nicht hoch genug, um Details zu erkennen, aber… seht selbst:

Und dann fand ich noch ein kleines Thumbnail jenes Calimancos, den Meg Andrews auf ihrer Seite vorstellt, den man aber nicht sehen kann, weil etwas mit der Seite nicht stimmt.

Da, ganz rechts. Seht ihr es? Continue reading

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