Stoffe des 18. Jahrhunderts 2
Farben und Muster

 

Die Themen Farben und Muster sind jedes für sich komplex genug für je eine eigene Seite, aber sie hängen doch zu sehr miteinander zusammen.

1. Material und Webarten

2. Farben und Muster — auf dieser Seite

 

 

Farben

Futterstoff auf Leinen, Ende 18. Jh. Rollendruck

Zitz, spätes 18. Jh. Blockdruck

Farben sind ein sehr schwieriges Thema, aus mehreren Gründen:

Um herauszufinden, welche Farben man verwenden und welche man meiden sollte, wenn man eine glaubwürdige Darstellung des 18. Jahrhunderts anstrebt, muß man einerseits die technischen Möglichkeiten der Färberei in Betracht ziehen, andererseits die Mode. D.h. wenn es technisch möglich war, Karamelblau zu färben, und man es schafft, ein Gemälde und/oder ein erhaltenes Kleidungsstück in Karamelblau zu finden, dann heißt das noch nicht, daß Karamelblau eine gängige Farbe war. Vielleicht existiert das Kleidungsstück nur deswegen noch, weil der ursprüngliche Besitzer die Farbe zwar ganz hübsch fand, sein Umfeld ihn dafür aber disste, so daß er es im hintersten Eck des Speichers vergrub. Erst, wenn ein Farbschlag häufiger vorkommt, kann man davon ausgehen, daß er zeittypisch ist.

Bis Mitte des 19. Jh. wurden nur Pflanzenfarben und ein paar tierische Farben (v.a. Cochenille und Kermes) verwendet. Im 18. Jh. war die Kunst des Färbens mit natürlichen Farbstoffen auf ihrem technischen Höhepunkt und konnte vermutlich jede denkbare Farbe erzeugen – zumindest auf Wolle und Seide – aber nicht in den knalligen Varianten, die erst durch chemische Verfahren möglich wurden. Pflanzenfasern wie Leinen und Baumwolle mit natürlichen Färbedrogen in kräftigen Farben zu färben war, wenn man den hohen Stand der Technik bedenkt, nicht unmöglich, aber sehr aufwendig und mithin teuer. Berühmt ist, gerade im 18. Jh., das Türkischrot, ein leuchtendes, mit Krapp auf Leinen oder Baumwolle gefärbtes Rot, das zu erzeugen ein 26-tägiger Prozeß nötig war, den die Türken streng geheim hielten2

Beim Färben muß daher zuerst unterschieden werden zwischen Proteinfasern (Seide, Wolle) und Cellulosefasern (Leinen, Baumwolle, Hanf). Erstere lassen sich leicht in allen nur erdenklichen Farbtönen fäben, letztere nur mit großer Mühe, und Leinen schwerer als Baumwolle – mit Ausnahme einiger weniger Farbstoffe, die sich mit allen Fasern gut vertragen. Ein gefärbter Stoff war umso teurer, je weiter der Farbstoff angereist war oder je mehr Mühe der Anbau machte, je mehr davon eingesetzt werden mußte (d.h. Hellbau ist billiger als Dunkelblau), und je mehr Vorbereitungsschritte und Färbevorgänge nötig waren.

Nun wissen wir, daß Wolle und Leinen die billigsten Fasern waren und mithin für die Unter- und Mittelschicht am leichtesten erreichbar. Gleichzeitg ist Leinen die am schwersten färbbare Faser. Nur zwei Sorten Färbemittel funktionieren gut mit Leinen: Der Küpenfarbstoff Indigo (blau; in der heimischen Variante aus Waid nicht billig, aber relativ günstig), und gerbstoffreiche Färbedrogen wie Walnußschalen (braun), Baumrinden (braun), und Galläpfel (grau). Daher ist buntes Leinen, mit Ausnahmen von Blau, relativ selten.

"Der Vorzug dieser gemalten und gedruckten Leinwand kommt darauf an, daß die farben beständig sind; und das ist in Europa eine sehr seltene Eigenschaft dieser Manufacturen, wenn man die blaue Farbe ausnimmt, die gar häufig dauerhaftig gefunden wird. Von allen andern Farben aber kann man schon im voraus versichert seyn, daß sie nichts weniger als dauerhaftig seyn, und keine Farbeprobe aushalten werden."

schreibt Herr von Justus um 1761 in der Erstausgabe, und Herr Beckmann merkt 1789 in der dritten Ausgabe an:

"Die Leinenfärberey hat vielmehr Schwierigkeit, als Wollenfärberey. Denn erstlich nimmt Leinen nicht so leicht Farbe an, als Wolle; zweytens soll die Farbe auf Leinen noch dazu dauerhafter, als auf Wolle, seyn, weil leinene Sachen weit öfterer gewaschen werden; drittens dürfen die Farben die leinenen Waaren nicht sehr vertheuren, da sie meystens von unbemittelten Personen verbraucht werden; denn die Reichen ziehen ungefärbten gebleichten feinen Arten den gefärbten und gemalten vor. Gleichwohl ist es sehr wahrscheinlich, daß man, durch Hülfe der Chemie, auch für Leinen Farben von den nöthigen Eigenschaften entdecken werde." (Johann Heinrich Gottlob von Justi ehemaligen Bergraths und Ober-Polizey-Commissarius in Göttingen, Vollständige Abhandlung von den Manufacturen und Fabriken. Zweyter Theil... mit Verbesserungen und Anmerkungen von Johann Beckmann. Berlin: Joachim Pauli, 1789. S. 107f)

Für Wolle standen vielfältige Farben zur Verfügung, die teilweise sogar aus heimischen Gewächsen gewonnen werden konnten: Gelb und Olivgrün aus jedem zweiten Unkraut, Rot, Violett und Orange aus Krapp, Blau aus Waid, die bereits genannten Braun- und Grautöne sowieso. Dabei sind Rot und Blau relativ teurer, weil Krapp aus einer Wurzel gewonnen wird, die erst einige Jahre wachsen und dann arbeitsintensiv ausgegraben und gereinigt werden muß, und Waid nur mäßig viel blauen Farbstoff enthält. Klares Grün (d.h. nicht Oliv) als Doppelfärbung von Gelb und Blau ist ebenfalls arbeitsintensiv und daher teurer. Für Arbeitskleidung sowie die ärmere Bevölkerung kommt daher am ehesten naturfarbenes, teilgebleichtes und braunes Leinen, sowie naturfarbene (weiß, grau, braun), gelbe und olivgrüne Wolle in Frage3, für Sonntags sowie für Alltagskleidung der Mittelschicht auch Wolle in Rot, Blau, Grün und Mischungen daraus. Wechselnde Modefarben spielen in diesem Milieu keine Rolle: Kleidung ist teuer und muß möglichst lange halten.

Zu den teureren gehörten die importierten Färbedrogen Indigo (aus dem indischen Indigostrauch, mit viel höherem Farbstoffgehalt als beim heimischen Waid), Cochenille (aus Mittelamerika; Rot, Pink und Violett), Rotholz aus Indien und Amerika, Blauholz und Gelbholz aus Amerika. Richtig schwarzes Schwarz erforderte sehr hoch konzentriertes Indigo, gefolgt von sehr sehr hoch konzentriertem Krapp und, je nach regionaler Färbetradition, einem weiteren sehr hoch konzentrierten Färbegang mit Reseda oder Behandlung mit Eisensalzen. Es gehörte dem Vernehmen nach zu den teuersten Farbtönen... außer auf Wolle. Denn während Seide, Baumwolle und Leinen von Natur aus mehr oder weniger hell sind, gibt es Schafe auch in schwarz. Naja, eigentlich dunkelbraun, aber mit nicht allzu viel Mühe und relativ viel Indigo läßt sich daraus auch Schwarz machen. Das erklärt wahrscheinlich, warum Schwarz in bürgerlichen und großbäuerlichen Trachten relativ häufig ist: Es ist Prestigeträchtig, weil eigentlich schwer zu färben, aber es gibt eine wirtschaftliche Abkürzung.

Baumwolle ist leichter zu färben als Leinen, so daß sie, floral bedruckt, ab dem späten 17. Jahrhundert als "Brokat der Kleinen Leute" beliebt wurde - mehr dazu beim Thema "Muster". Für Kleidung aus einfarbigen Baumwollstoffen konnten bisher noch keine Nachweise gefunden werden.

Für wohlhabende Leute war technisch fast alles möglich, zumal sie das schwer zu färbende Leinen nach allem, was wir wissen, fast nur für Weißwäsche verwendeten. Die bevorzugte Seide nimmt alle Farben bereitwillig an und der Preis der Färbedrogen ist drittrangig. Für Damen waren die Farben tendenziell eher blaß-pastell als leuchtend, z.B. Elfenbein, Silbergrau, Hellblau, Graublau, Blaßrosa etc. Ich sage bewußt "tendenziell", denn es gab durchaus dunkelblaue, leuchtendblaue, gackerlgelbe oder rote Gewänder, ja sogar in Komplementärfarben (Rot und Grün, in Ludwigsburg) gemusterte - nur eben weniger häufig. In der zweiten Häfte des Jahrhunderts nehmen kräftige und dunkle Farben zu, ganz besonders im letzten Viertel. Darunter spielen Dottergelb, Rot, mittleres und dunkles Blau, Grün und Braun die wichtigsten Rollen. Auch die waren nicht so leuchtend wie die heutigen künstlichen Farben, aber teilweise doch überraschend kräftig. Schwarz war mit diversen Bedeutungen belegt: v.a. Trauer, aber auch Strenge und Ernsthaftigkeit. Daher findet man es eher bei Männern als bei Frauen, die ja bekanntlich niemals ernsthaft sind. (har, har) Bei Frauen kenne ich es v.a. an Witwen und bei Redoutenkostümen, bei Männern u.a. an Priestern und Gelehrten und jenen, die als Gelehrte gelten wollten. Aber, wie gesagt, auch in bürgerlichen und großbäuerlichen Trachten.

Früher stand an dieser Stelle mal "Was ich definitiv noch nicht gesehen habe...", aber inzwischen habe ich, glaube ich, alles gesehen, was technisch möglich war, also auch Farbtöne, die eher nicht der gängigen Mode entsprachen: Orange, Pink, Violett, Lindgrün, Frühlingsgrün4. Auch wenn immer mal wieder vereinzelte Exemplare in diesen Farben auftauchen, sind das noch lange keine modischen Farben der Zeit. (War Orange eigentlich jemals in?)

 

Muster

Wir alle, die wir Kleidung des 18. Jh. nachmachen wollen, neigen anfangs zu gemusterten Stoffen, weil die uns als besonders typisch erscheinen. Und ja, figürlich gemusterte Stoffe waren beliebt, aber man mußte sie sich auch leisten können. Jede Technik, mit der man einn solchen Stoff herstellen konnte, war Handarbeit, und das kostet. In Portraits sehen wir meistens wohlhabende Leute, die sich in ihrem feinsten Ornat malen ließen, um zu zeigen, "was man hat". In Museen sehen wir hauptsächlich Kleidung, die schon damals besonders wertgeschätzt und deshalb sorgfältig aufbewahrt wurde – wegen ihrer Schönheit, aber auch wegen ihres monetären Wertes, und das wertvollste war ein broschierter Seidenlampas5. Eine Robe aus einfarbigem Taft mit Dekorationen aus dem gleichen Stoff, ja sogar ganz ohne Dekorationen, ist für historische Darstellung um Längen authentischer als eine aus einem falsch gemusterten Stoff. Um die "richtigen" Muster von den falschen zu scheiden, muß das Auge lange trainiert werden.

Wie oben bei den Farben müssen wir auch hier wieder zuerst schauen, mit welcher Faser wir es zu tun haben, und obendrein, mit welcher Art der Musterung: Ein Muster kann gewebt, gestickt, gedruckt oder gemalt werden. Ein gewebtes Muster kann durch verwendung mehrerer Farben in Kette und/oder Schuß entstehen (Streifen, Karos) oder durch die Webstruktur entstehen (das geometrische Muster ist gleichmäßig über die ganze Fläche verteilt, z.B. Fischgrät). Ein- oder mehrfarbig figürlich gemusterte Stoffe erfordern komplexe Webtechniken wie Damast oder Lampas. Wie bei den Farben, so gibt es auch bei den Webarten einfache, billig herzustellende, etwas komplexere und hochgradig luxuriöse.

Nicht alle Texhnikern der Mustererzeugung wurden für alle Faserarten verwendet. Faustregel ist, daß billigere Fasern mit einfacheren Techniken einhergehen, mit ein paar überraschenden Ausnahmen. Neben dem Preis der Faser sowie ihrer Färbbarkeit spielt auch der Verwendungszweck des Stoffes eine großte Rolle. Wenn man ein Stoffmuster in einem einem der erhaltenen Musterbücher gefunden hat, weiß man noch lange nicht, wofür dieser Stoff gedacht war: Ober- oder Unterkleidung? Vorhänge, Sesselbezüge, Tischwäsche oder gar Mehlsäcke? Die folgende Tabelle gibt nicht annähernd die ganze Komplexität des Themas wider, sonst müßte sie um ein Viefaches größer und mindestens dreidimensional sein. Ich habe einige wenige nicht-Kleidungsstoffe mit aufgenommen, wenn für die Kombination nichts an Kleidung zu finden war, aber reichlich Beispiele für andere Zwecke, weil man sonst allzu leicht vergißt, daß es auch Stoffe gab, und durchaus auch schöne, die nicht zu Kleidung verarbeitet wurden.

 

  Leinen Baumwolle Wolle Seide
einfarbig Weiß, Natur, Braun, Blau Weiß (als Unterwäsche/Hauben, später auch als Chemisenkleid) ja, alle Farben ja, alle Farben
gestreift (gewebt) meist Rot/Weiß, Blau/Weiß, Blau/Weiß/Rot, v.a. für Schürzen und Haushaltstextilien, Röcke und Westen wie Leinen ja, alle Farben ja, alle Farben
kariert (gewebt) wie gestreift wie Leinen nur in Schottland nachgewiesen ja
andere geometrische Muster (gewebt) Haushaltstextilien, seltener Futter und Arbeitskleidung vermutlich wie Leinen nein Jein. Die Beispiele zeigen zwar geometrische Muster, sind aber technisch näher an Damast
floral, gedruckt selten, meist nur ein Farbton (Braun, Blau, Schwarz) Zitze v.a. in verschiedenen Rottönen, Blau, Grün und Gelb nein nein
floral, gewebt nur für Tischwäsche (Damast in uni weiß) nein ja, als billigere Imitation von Seidendamast und -brokat ja, als Damast und Brokat
floral, gestickt als Krüell (wollener Stickfaden), seltener Seide, für bestimmte Einsatzzwecke (z.B. (Brief)Taschen, Unterröcke, Hausmützen, selten Oberbekleidung) nein? nein ja, aber nicht flächig, sondern auf den Schnitt des Kleidungsstücks angepaßt
floral, gemalt selten (siehe oben bei Herrn von Justus) vereinzelt, statt gedrucktem Zitz nein ja, auf hellem Untergrund, z.T. wohl mit Pigmenten

 

Für die floralen Muster gibt es eine Seite, auf der ich gut- und böse-Beipiele sammle. Noch sind sie nur im Text nach dem Material (Baumwolle oder Seide) aufgeschlüsselt.

Die naheliegendste Musterung, die auch armen Leuten offenstand, war die Webmusterung, also einerseits z.B. verschiedenfarbige Streifen in der Webkette, kombiniert mit ein- oder mehrfarbigen Schüssen, oder umgekehrt. Bei Leinen- und Baumwollstoffen ist die Hauptfarbe meistens Weiß, vermutlich, um die Färbekosten niedrig zu halten. Regelrecht bunte Streifen findet man am ehesten bei Beiderwand und Kalmang. Musterbildende Arten des Köpers wie z.B. Fischgrät und Spitzköper, Rautenköper und Diamantköper scheinen fast nur für Haushaltstextilien verwendet worden zu sein, manche Rautenköper wohl auch für Unterröcke. Karos sind bei Oberbekleidung seltener Vertreten als Streifen.

Gedruckte Muster auf Baumwolle waren meist Blockdrucke, die seltenen bemalten Exemplare sehen genauso aus wie Gedruckte. Gegen Ende des Jahrhunderts kommt das Rollendruckverfahren hinzu, das kleinteiligere Muster mit kleinem, streifig angeordnetem Rapport ergibt.

Es erfordert einiges Studium, um ein Gefühl dafür zu kriegen, welche Muster für welche Zeit geeignet sind, denn die bevorzugten Muster änderten sich bei Seide alle 10, 20 Jahre deutlich. Auch hier zeigt sich ein Unterschied zwischen den Fasern: Die Muster für Zitze änderten sich weniger schnell und weniger augenfällig, wohl weil die Zielgruppe die mittlere bis gehobene Mittelschicht war, die es sich nicht leisten und auch nicht mit ihrem Sparsamkeitsethos vereinbaren konnte, alle paar Jahre die Garderobe zu auszuwechseln. Um 1700 herum gab es Seidenmuster, die selbst erfahrene Leute nie dem 18. Jh. zutrauen und eher ins 20. Jh. datieren würden – u.a. weil sie die Webtechnik nicht beachten. Andererseits würden weniger erfahrene Leute gedruckte Muster des mittleren 19. Jh. für geeignet halten – weil sie die Drucktechnik nicht beachten. Es ist also sehr leicht, versehentlich ein falsches Muster zu wählen.

Die Technik des Blockdrucks erlaubt keine schattierten und kleinteiligen Muster, schon allein weil allzu schmale Stecke des Druckstocks zu schnell kaputtgingen. Daher wirken gedruckte Muster gewöhnlich abstrakter und flächiger. Die Farbauswahl ist ebenfalls technisch begrenzt: Es gab den Blaudruck (ausschließlich Blau) und die Chintze, die hautsächlich mit Krapp gefärbt wurden (je nach Beize Rot, Orange, Rosa, Lila, Braun-Schwarz), dazu Indigoblau und etwas Gelb. Die Muster sind floral, die Farben größtenteils in schwarz, rot und violett, blau, etwas grün und wenig gelb. Diese Drucke waren damals bekannt als Zitz, Chintz oder Kattun. Der heutige Begriff Chintz bezeichnet einen gewachsten und glänzend gewalzten Stoff, aber eigentlich leitet er sich (nach einer Lesart) von einem indischen Wort für "bunt" her und bezeichnete im 17./18. Jh. einen nach indischer Methode bedruckten Stoff. Glaubhafte Reproduktionen sind heute kaum noch zu bekommen – eigentlich nur in den Niederlanden – und nicht sonderlich billig. Zitz kauft man nicht, um um die teure Seide herumzukommen, sondern weil man Zitz haben will.

Wer darüber nachdenkt, einen bedruckten Baumwollstoff zu verarbeiten, sollte sich unbedingt dieses Video des Metropolitan Museum of Art ansehen, das die Herstellung von Zitzen zeigt. Wenn man das sieht, versteht man auch, warum nur bestimmte Farben möglich sind.

Unter dem Namen Toile de Jouy kann man noch heute bedruckte Baumwollstoffe erstehen, deren Muster auf das mittlere 18. Jh. bis frühe 19. Jh. zurückgehen, genauer gesagt auf eine Manufaktur, die Christophe-Philippe Oberkampf nach Aufhebung des französischen Baumwolldruckverbots 1760 in Jouy-en-Josas gründete. Zwar sind die Muster – fast immer einfarbig Blau oder Rot auf Weiß oder Ecru, watteauartige Pastoralen, Chinoiserien oder Tiere und Blumen darstellend – authentisch fürs 18. Jh., aber schon damals waren diese Stoffe, genau wie heute, als Möbelstoffe gedacht. Für Kleidung kommt Toile de Jouy also nicht in Frage. Wer Vorhänge oder Kissen für historische Darstellung daraus fertigen will, sollte beachten, daß die klassizistischen Muster für vor ca. 1765 nicht geeignet sind und bis ca. 1780 als progressiv empfunden worden wären.

Bei Seidenstoffen waren Muster meist eingewebt (Damast, Lampas, Brokat), selten auch von Hand aufgemalt - letzteres wohl v.a. bei indischen oder chinesischen Importen, die extra für den europäischen Markt gefertigt wurden6. Eine Sonderstellung haben Moiré und geschorener Samt, deren Muster erst nach dem Weben durch weitere Verarbeitung entstehen. Die häufigsten gemusterten Seiden des 18. jh. waren wohl Damast, Lampas und Droguet. Während gestreifte und karierte Leinen- und Baumwollstoffe in Heimarbeit (oft von Nebenerwerbslandwirten) gewebt werden konnten, erforderten diese Seidenstoffe große, hochkomplexe Webstühle, eine spezialisierte Ausbildung und ein oder zwei Gehilfen. Die Garne waren die teuersten, die der Markt hergab. Ein einfacher, selbständiger Weber konnte es sich nicht leisten, so weit in Vorlage zu gehen. Diese Stoffe wurden daher in Manufakturen gefertigt, die auch Musterentwerfer beschäftigten und die Entwürfe in Musterbüchern sammelten, die zum Teil erhalten sind7. Daher sind Seidenstoffe relativ leicht zu datieren. Manchmal werden sie auch noch heute nachgewebt, allerdings.... teuer.

Und schließlich: Wolle. Sie wurde fast ausschließlich zu einfarbigen Stoffen verarbeitet, zu Leinwand oder Köper, mit Ausnahme von Beiderwand (zweifarbige schmale Streifen) und Kalmang, den es in drei ausführungen gab: einfarbig, vielfarbig gestreift sowie "geblümt", wie es in zeitgenössischen Quellen heißt, also als Damast. Hin und wieder findet sich auch ein mehrfarbiger Brokat (broschierter Damast?).

Das Fazit aus allem oben gesagten ist, daß es für den Anfang besser ist, auf Muster ganz zu verzichten. Geeignete Baumwolldrucke zu erkennen kann man sich allmählich "antrainieren", aber Achtung: Abseits spezialisierter Reproduktionen findet man selten etwas geeignetes, und auch bei den entsprechenden Händlern (Dutchfabrics, Colonial Williamsburg, Duran Textiles) sollte man sich nicht blind darauf verlassen daß es schon richtig sein wird, wenn sie es verkaufen. Und, ganz wichtig: Keine bedruckte Seide.

 

Literatur

 

Fußnoten


1) "la notte bruna", die 'braune' Nacht, im Text von Monteverdis "l'Orfeo" von 1608
2) Vollständiges Färbe- und Blaichbuch zu mehrem Unterricht, Nutzen und Gebrauch für Fabrikanten und Färber. Ulm: August Lebrecht Stettin, 1780. Abrufbar bei Google Books.
3) Die ärmere Bevölkerung konnte allerdings durchaus auch bunte Kleidung tragen, dank des Altkleiderhandels.
4) Es kommt immer wieder vor, daß sich jemand herausgefordert fühlt, mich zu widerlegen, indem sie/er das eine oder andere Bild ausgräbt. Da gilt einerseits das eingangs zum Thema Farbe gesagte (Malpigmente? Verblassen?), und andererseits: Es geht hier darum, welche Farben für eine glaubwürdige Darstellung geeignet sind. Das eine Trumm in Quietschorange, das Du vielleicht gefunden hast, macht diese Farbe noch lange nicht zu einer Farbe, die das 18. Jh. glabwürdig repräsentiert. Zu einer Woodstock-Mottoparty ziehst Du doch auch typische 68er Farben und Muster an, oder?
5) Man nennt das conservation bias. Das Bild wird dadurch verzerrt, daß bestimmte Gegenstände eher überleben als andere. Aus den gleichen Grund wird oft behauptet, die Leute seien "damals" alle kleiner gewesen: Kleine Kleidungsstücke lassen sich schlechter vererben/verkaufen/umarbeiten als große, also werden sie nicht bis aufgetragen, bis sie in Fetzen hängen - und bevölkern heute die Museen.
6) z.B. Historical Fashion in Detail, S. 66
7) Silk Designs of the Eighteenth Century, Londoon: V&A, 1996