Führung: Damenmode des 18. Jahrhunderts


Kapitel 1a

here be music Skizze einer Frau
 

Skizze von Antoine Watteau, um 1718-20

Die 1710er waren eine Übergangszeit vom zuvor vorgestellten Manteau zu einer ganz neuen Gewandform, der Contouche, wie sie links zu sehen ist. Der große Unterschied zum Manteau ist im Schnittdiagramm und von vorn kaum zu sehen: Er liegt vor allem darin, daß der Rücken nicht mehr durch festgenähte Falten auf Figur gearbeitet wurde. Die gesamte, ziemlich große Stoffmenge fiel lose herab. Deshalb hieß das neue Gewand zunächst robe volante oder robe battante, also fliegende bzw. flatternde Robe.

Auch vorn war viel Stoff verarbeitet, so daß man die Vorderteile wie bei einem Bademantel übereinanderschlagen konnte. Meistens aber ließ man sie lose herabhängen, schloß sie durch Schleifen vom Hals bis zu den Füßen, oder das Gewand war sogar von der Taille abwärts zugenäht. In diesem letzteren Fall konnte auf die Jupe verzichtet werden. Typisch für diese Zeit - beim Manteau ebenso wie bei der Contouche - sind die den Ärmel hinablaufenden, parallelen Falten, wie man sie hier recht gut sieht. Zu gleichen Zeit kommen erstmals breite Ärmelaufschläge in Mode (beim Manteau im vorigen Kapitel waren sie noch schmale Streifen gewesen), die am Ellenbogen zusammengerafft sind. Ihre Form erinnert mich ein wenig an die Schwimmflügel, die ich als kleines Blag trug. Deshalb spreche ich hier von "Flügeln" oder "Flügelaufschlägen", auch wenn die übliche Literatur dafür andere Begriffe (z.B. Flossen) benutzt.

Auch in den Seitennähten und vorn war die Contouche nicht auf Figur gearbeitet, so daß sie recht lässig und bequem wirkte. Das wäre sie auch gewesen, wäre darunter nicht nach wie vor ein steifes Korsett getragen worden. Allerdings war es in der Anfangszeit der Contouche durchaus möglich, das Korsett wegzulassen, ohne daß das sonderlich auffiel, zumindest wenn die Frau noch jung und ihre Figur knackig war. Die Klage (1717) der Liselotte von der Pfalz, daß die Damen sie allzu salopp gekleidet und "ohne Leibstücker" besuchen kämen, könnte darauf hiweisen, daß einige das auch taten. Sie weist aber auch darauf hin, daß die Contouche zuerst noch nicht als Straßen- oder Besuchskleidung akzeptiert war.

Als um 1720 die ersten großen, kuppelförmigen Reifröcke aufkamen, wurden sie meistens zur Robe volante getragen, zum aussterbenden Manteau eher selten. Den wenigen erhaltenen Abbildungen nach muß das ziemlich lächerlich ausgesehen haben, aber das hielt die Frauen (bis hinunter zur Zofe) nicht davon ab, dieser Mode zu folgen und zu allerlei Spott Anlaß zu geben. Aus der Zeit um 1715-20 sind diverse Anekdoten und Karikaturen überliefert, die zeigen, daß die Reifröcke jener Zeit in Form und Größe den Krinolinen der späten 1860er um nichts nachstanden. Übrigens ist meines Wissens nicht eine einzige Robe aus dieser Zeit erhalten - wahrscheinlich aus dem gleichen Grund wie beim Manteau: So viel unverschnittener Stoff lädt zum "modernisieren" geradezu ein.

Die breiten Falten im Rücken faszinierten den Maler Watteau so sehr, daß er mit Vorliebe Frauen von hinten malte. Heute spricht man ihm zu Ehren von Watteaufalten.

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Die Musik ist Le triomphe de l'Amour von Michel Pignolet de Montéclair. Sequenced by yours truly.