1750er Contouche



Das Kleid der "grünen Pompadour" nachzumachen, war eigentlich schon immer mein Traum. Aber nachdem ich schon einige Kopien davon an Leuten gesehen habe (meistens im originalen Blaugrün und einmal, in "Gefährliche Liebschaften", in Dunkelblau), konnte ich mein Kleid unmöglich so machen, daß man auf den ersten Blick sieht, was das Vorbild ist. Neben der Farbe sind die vielen kleinen rosa Rosen besonders verräterisch. Und was die viele Silberspitze betrifft... ich bin ja nicht Crösus!

Also nahm ich zuerst mal eine ganz andere Farbe, meine Lieblingsfarbe: Ultramarinblau. Mit etwas Mühe fand ich denn auch ein paar Bilder von Kleidern in dieser Farbe, so daß ich sie beruhigt verwenden konnte. Vielen Dank auch an Jacqueline, die mich mit Fundstücken versorgt hat. Der Stoff ist leicht changierender Seidentaft, in einer Richtung grünlichblau, in der anderen ultramarin, also violettblau. Rosen und Silberspitze wird es keine geben, aber das Kleid soll auch nicht so bleiben, wie es in dem Bild zu sehen ist. Ich plane, aus unversponnenen Seidenfäden (Filamentseide) in Creme, Royalblau und Orangenschalen-Orange Bommeln aus vielen kleinen Knötchen zu machen, mit fluffig aufpinselnden Fadenenden. Die Vorlage dazu stammt aus "Historical Fashion in Detail". Vom gleichen Kleid aus dem gleichen Buch stammt auch die Vorlage für die Volants auf dem Kleidrock. (Wer das Buch kennt: Gelbe Française!)

Beim Schnitt habe ich Neuland beschritten und mal einen kommerziellen ausprobiert, von J.P. Ryan. Die Vorderteile sind aus einem Stück, ohne Taillennaht. Die allgemeine Konstruktion ist relativ unspannend - so, wie man das von Françaises eben kennt: Ein enganliegendes Futter aus festem Leinen (hier: ein Mangeltuch) mit rückwärtiger Schnürung zum justieren, darauf der Oberstoff drapiert wird. Bei diesem späten Stil muß das Oberteil relativ glatt anliegen. In diesem Fall war dafür eine kleine Falte unterhalb Robings nötig, die ziemlich seltsam und leicht bucklig verläuft, aber da sie versteckt ist, macht das nichts. Hinten wird der Stoff einfach unter die Watteaufalten geschoben und dort festgeheftet.

Das Besondere an dieser Robe sind dieVolants am Ärmel, auf den Robings, dem Kleidrock und der Jupe. Deren Kanten sind ausgezäckt, d.h. mit einem speziell geformten Zäckeisen in Form von Bögen ausgestanzt. Ein ca. 3 cm breiter Streifen verläuft auf den Robings von der Taille aus aufwärts, über die Schulter, um den Nacken herum und über die andere Schulter zurück. Er ist eingereiht und in leichtem Zickzack aufgenäht. Die Jupe ziert ein ca. 25 cm breiter, waagerechter Volant. Von der Taille abwärts ist auf dem Kleidrock ein ca. 10 cm breiter Streifen aufgesetzt, der zunächst einen Bogen nach außen beschreibt, dann gedreht wird, einen Bogen in die Gegenrichtung macht, wieder gedreht wird usw., bis 30 cm vor dem Saum. Dort macht er einen Bogen, der sich in die Ecke zwischen Vorderkante und Saum legt, dann wieder nach oben und schließlich auf die Vorderkante zu biegt, so daß er einen Kreis beschreibt. Das Ende des Streifens ist unter einem der vorigen Bögen versteckt. Damit die Schlangenlinien schön halten, ist der Volant an strategischen Punkten mit einzelnen Stichen befestigt und müßte zusätzlich gestärkt werden, sonst hängt er irgendwann schlapp herunter und verdirbt die Linie. Waschen und v.a. Bügeln wird durch all die Volants und Rüschen natürlich ein ziemlicher Akt.

Am Ärmel befinden sich drei Volants übereinander nach dem Schnitt auf dieser Site, wobei der äußerste der kürzeste ist. Die unteren Kanten sind mit dem Zäckeisen geschlagen, die gerade obere Kante mit der Zickzackschere geschnitten und mit einem kleinen Köpfchen aufgesetzt. Der Volant auf der Jupe ist mit einem 6 cm breiten Zäckeisen gestanzt, alles andere mit einem 2,5 cm breiten. Beide habe ich von Greenmanforge - siehe Bezugsquellen.

 

Fazit oder Wenn ich noch einmal von vorn anfinge

Als erstes würde ich den Stoff nicht mehr in der Maschine vorwaschen oder wenn, dann nur beim sanftesten Schleudergang. Vielleicht würde ich ihn gar nicht vorwaschen, denn Taft verliert dadurch viel von seiner Steifigkeit und Glanz. Der Stoff hat etwas Farbe verloren (bei der ersten Wäsche nach Verarbeitung auch wieder, und dabei habe ich ihn nur sanft durchs Wasser gezogen) und Knickfalten zurückbehalten, die auch durch Bügeln nicht rausgingen. Entlang der Knickfalten ist am meisten Farbe rausgegangen, so daß es bei genauerem Hinsehen aussieht, als wäre der Stoff verstaubt.

Zweitens würde ich für den späten Stil, also mit anliegendem Oberteil, nur noch einen Schnitt mit Taillennaht im Vorderteil wählen, weil der sich einfach besser anschmiegt. Außerdem wären dann die Vorderkanten des Oberrockes schräger, so daß der Rock nach unten hin weiter aufklafft. Ich habe zwar die Robings auf dem Rockteil nach unten hin breiter werden lassen, aber das kann nur ein paar cm ausmachen.

Für die großen Bögen am Volant der Jupe würde ich ein anderes Zäckeisen wählen - ebenso breit, aber mit kleinerem Radius. Meins beschrieb einen Halbkreis, aber für große Bögen sind Drittel- oder gar Viertelkreise von der Proportion her besser. Der Hersteller hat sich freundlicherweise bereiterklärt, das Eisen gegen eins mit kleinerem Radius auszutauschen.

Indem die Robings nach unten breiter werden, rutschte auch der Knick zwischen Vorderkante und Saum nach oben, so daß der Kleidrock an der Vorderkante kürzer ist als die Jupe. Eigentlich muß es genau umgekehrt sein. Glücklicherweise fällt das nicht allzusehr auf, u.a. weil die Volants die Kontur auflösen und den Blick ablenken.

Schließlich sind mir offenbar die Ärmelvolants etwas verrutscht, denn die längste Stelle ist nicht etwa hinten, sondern halbwegs zwischen Seite und Hinten. Ähnliches ist schon einigen anderen passiert, die sich an die Schnitte hielten - es ist also durchaus möglich, daß das so richtig ist. Es kommt sehr darauf an, wie man den Arm hält: Dreht man die Handflächen auf den Körper zu, sitzt alles richtig.

Was meine Erfahrung mit einem kommerziellen Schnitt angeht, bin ich recht zufrieden. Glücklicherweise merkte ich rechtzeitig, daß in diesem Schnitt die Nahtzugaben schon enthalten waren - wohl eine amerikanische Besonderheit. Hätte ich nicht in den kritischen Phasen immer jemanden zum abstecken gehabt, wäre ich wahrscheinlich nicht gar so zufrieden, aber sicher ist, daß der Schnitt einiges an Anpasserei gespart hat.