Die Herstellung einer Contouche

auch bekannt als Adrienne, Schlender oder robe à la française



Als diese hochelegeante Kleidform in den 1710ern erstmals aufkam, hatte sie große Ähnlichkeit mit einem Morgenmantel: Keine Taille und keine Verschlüsse, denn sie war vorn geschlossen und wurde über den Kopf gezogen, oder sie hing einfach lose offen, evtl. mit Schleifen vom Halsausschnitt bis zum Saum, mit denen sie geschlossen wurde. Die Ärmel hatten schlichte Manschetten mit 2-3 Falten an der Armbeuge. Zunächst waren Contouches Teil des deshabillé, also Haus- und Morgenkleider, die aber durchaus auch zu informellen Gelegenheiten außer Haus getragen werden konnten. Zu Zeiten der Régence (1715-22), als die strenge Hofmode in Ermangelung eines Hofes verschwand, regte sich die nicht mehr ganz junge Lieselotte von der Pfalz darüber auf, daß Damen sie "im Nachtgewand und ohne Leibstücker" (Korsetts) besuchen kämen. Zu dieser Zeit war die Française also noch nicht ganz salonfähig.

Bis zu den 1730ern entwickelte die Contouche langsam eine Taille, öffnete sich vorn immer weiter, den Blick auf das Korsett freigebend - das aber meist von einem dreieckigen Stecker verdeckt wurde. Bis zur Mitte des Jahrhunderts haben sich voll taillierte, dekorierte, von meterbreiten Reifröcken gestützte Formen entwickelt, die auch zu formellen nichthöfischen Gelegenheiten wie Hochzeiten getragen wurden. Die Ärmelmanschetten wurden ab ca. 1750 durch mehrere (meist 2-3) Reihen Volants ersetzt, aus denen wiederum mehrere Reihen Klöppelspitze hervorquollen.

Der Maler Watteau war vom fließenden Formenspiel der großen, in Schleppen übergehenden Rückenfalten so fasziniert, daß er immer wieder Damen von hinten malte - und so kennt man die Falten heute als Watteaufalten.

Die Française ist für Anfänger relativ gut geeignet, weil sie nur vorn auf Figur gearbeitet wird und Ungenauigkeiten leicht ausgeglichen oder kaschiert werden können. Das heißt: geeignet für Leute, die eine moderne Bluse problemlos ohne Anleitung zusammennähen können, aber mit Roben des 18. Jh. noch keine Erfahrung haben.

Lies bitte unbedingt die Anmerkungen zu historischer Schneidereitechnik. Lies auch die gesamte Anleitung durch, bevor Du auch nur den Stoff kaufst - manchmal stößt Du auf Variationen oder Spezialfälle, die Auswirkung auf ein früheres Stadium der Verarbeitung haben.

Diese Anleitung ist nämlich so aufgebaut, daß Du, wenn Du ihr folgst, eine Contouche aus der Zeit um 1750-60 machst. Erfahrungsgemäß werden Anfänger von Alternativen nur verwirrt und frustriert, also habe ich diese ins letzte Kapitel verbannt. Jene, die unbedingt eine andere Zeit machen wollen und sich das auch zutrauen, finden auf Seite 8 (Schnittvariationen) einige Hinweise - und müssen dann mit diesem Wissen vielleicht mehr Stoff kaufen.

Noch eine Anmerkung zur Authentik: Die folgende Anleitung ist ein wenig vereinfacht, indem ich meist nicht näher darauf eingehe, wie genau die Schnitteile zusammengesetzt werden. Wer die Teile zusammensetzt, indem sie sie rechts auf rechts aufeinanderlegt und von links her zusammensteppt, oder den Ärmel einsetzt wie bei einer Bluse, wird dafür selbst von Brachialauthentikern nicht kritisiert werden. Wenn Du es trotzdem noch authentischer machen willst, schau Dir die Anleitung für die Open Robe an, die auf der gründlichen Analyse eines Originalteils basiert. Die dort beschriebenen Techniken mußt Du allerdings selbst auf die Française transferieren.

Und, ganz wichtig: Wenn Du über etwas stolperst, was unverständlich ist, dann sag mir bescheid*. Ich habe mir zwar alle Mühe gegeben, aber ich kann nicht einmal erahnen, wie brauchbar meine Beschreibungen sind, wenn mir niemand Feedback gibt: Ich selber verstehe natürlich alles, aber das sagt ja nichts. Bedenke aber bitte, daß eine solche Anleitung naturgemäß meist unverständlich ist, wenn man die entsprechenden Stoffteile nicht gerade in der Hand hat. Manche Leute behelfen sich beim Lesen erfolgreich mit Papier- oder Stoffteilen in verkleinertem Maßstab, um die Arbeitsschritte nachzuvollziehen.

Das Korsett sollte man in jedem Fall schon fertig haben, bevor man mit der Robe beginnt: Das Gewand kann nur dann wirklich sitzen, wenn man es über dem Korsett auf die Figur modelliert. Das Panier sollte ebenfalls fertig sein, da seine Form und Größe die Rocklänge und -weite und somit den Stoffverbrauch bestimmt. A propos Robe: Das ganze Gewand besteht aus drei Teilen: dem Unterrock (Jupe), dem Oberkleid (Robe), und dem Stecker.

Da die Anleitungen mittlerweile recht umfangreich sind, habe ich sie auf mehrere Seiten aufgeteilt. Die Reihenfolge entspricht der, die sich in der Schneiderpraxis als sinnvoll erwiesen hat.

    1. Vorbereitungen und Material
    2. Der Schnitt
    3. Das Futter
    4. Zuschneiden der Robe
    5. Drapieren
    6. Ärmel und sonstiges
    7. Unterrock
    8. Schnittvariationen

 

 

*) Falls Du mit einer ausgedruckten Version arbeitest: Geh nach http://www.marquise.de/de/contact.html