Herstellung eines Korsetts

Teil 1: Material

 

Der Grundstoff sollte kräftig und nicht dehnbar sein. Es gibt speziellen Korsettstoff, Coutil genannt, der dicht gewebt und sehr steif ist. Den muß man aber nicht unbedingt haben, denn auch ein kräftiger Jeansstoff (nicht unbedingt Blue Jeans, sondern jeglicher ähnlich dicke Köper) ist durchaus geeignet. Man machte sogar Sommerkorsetts aus sogenanntem Gitterstoff (zB. dieses), aus Bändern, die nur durch die Fischbeintunnel zusammengehalten wurden, oder sogar aus Gestrick. Das sind aber Spezialvarianten, die man sich erstmal für später aufheben sollte. Man sollte in jedem Fall als Basis Baumwolle oder Leinen wählen.

Auf diese ein oder zwei Lagen kann man noch einen dekorativen Oberstoff setzen, muß aber nicht. Populär waren im späten 19. Jh. vor allem Seidensatins in so ziemlich allen Farben, die das neu erfundene Anilinverfahren erlaubte. Je knalliger, desto besser: Kanarigelb, Königsblau, Feuerrot, Lila oder Pink sind für diese Zeit durchaus geeiget; Weiß und Schwarz waren sowieso beliebt. Bunt gemusterte Stoffe hingegen waren nicht üblich. Da die Konstruktion vom Coutil gehalten wird, muß der Oberstoff nicht so kräftig sein, aber ein allzu dünner und/oder fließender Stoff ließe sich nicht so gut verarbeiten. Man wählt also besser Duchesse-Satin als Crêpe-Satin.

Wieviel Stoff man braucht, kommt darauf an, wieviele Schichten man verarbeiten möchte. Faustregel: 50x150 cm pro Lage. Es ist durchaus möglich, nur eine Stofflage zu benutzen (bei den Gitterstoffen, Bänderkorsetts und bei diesem Exemplar ist das so), wenn man die Stäbe in aufgenähte Tunnel steckt. Bei zwei Stofflagen kann man die Stäbe zwischen die beiden Lagen stecken, was es einem erspart, für jeden Stab eine Hülle aufzunähen. Meine Empfehlung: Zwei Lagen Coutil bzw. Jeansköper und evtl. eine Lage Oberstoff.

Anders als im 18. Jh. gibt es keinen triftigen Grund, warum die Tunnelnähte unsichtbar sein sollten: Nähmaschine ist erlaubt. Wenn man genau hinschaut, sind die Nähte auch an erhaltenen Exemplaren zum Teil erstaunlich ungleichmäßig und nicht völlig gerade, Nähmaschine hin oder her. Das Nähgarn entspricht in der Dicke dem heutigen, ist aber natürlich aus Baumwolle oder Seide und nicht aus Polyester. Es ist fast immer in der Farbe des Oberstoffs gehalten.

Als Fischbeinersatz eignen sich für schlanke Normalfiguren Plastikstäbe in der Stärke 1x10 mm ebenso wie Federstahl von 0,5x6 bis 0,5x10 mm. Spiralstäbe gehen auch, sind aber eigentlich nur nötig, wenn der Tunnel seitwärts gebogen ist, was normalerweise nur bei den S-Linien-Korsetts um 1900-1910 der Fall ist. Für stärkere Figuren empfehle ich Federstahl von 1x5 bis 1,5x7 mm (mehr Dicke hilft eher als mehr Breite). Für Bezugsquellen siehe hier. Die Enden der Stahlstäbe muß man abstumpfen, damit sie sich nicht durch den Stoff arbeiten. Man kann Endkappen aufsetzen, die man am besten gleich mit dem Stahl zusammen kauft*, die Enden mehrfach in dickflüssigen Lack oder flüssigen Kunststoff tauchen oder sie ordentlich umkleben, z.B. mit Isolierband oder (besser) Gewebeband**. Bedenke beim Nähen der Tunnel, daß die Enden dadurch dicker sind als der Rest des Stabes: Die Breite des Tunnels muß sich also nach der Dicke der Enden richten, damit man die Stäbe später überhaupt einschieben kann. Sind die Enden mit Band umklebt, und man muß den Stab wieder herausziehen (z.B. weil es so eng wird, daß gar nichts mehr geht), kann es bei einem engen Tunnel passieren, daß das Klebeband sich zusammenschiebt und dadurch noch dicker wird, so daß manden Stab nur noch herausbekommt, indem man so fest anzieht, daß das Klebeband im Tunnel hängenbleibt. Ähnliches kann womöglich auch bei Endkappen oder flüssigem Kunststoff passieren. Daher sollte man lieber nicht mit Gewalt versuchen, durch eine enge Stelle zu kommen, sondern lieber einen Stab ohne Endkappe nehmen und den sicherheitshalber etwas kürzer machen, so daß er nicht bis an die Naht des Versäuberungssteifens heranreicht. Die wird nämlich viel leichter durchgearbeitet als der Stoff selbst.

Zur Versäuberung eignen sich Baumwoll-, Leinen- oder Seidenband in passender Farbe. Da keine großen Biegungen zu bewältigen sind, muß das kein Schrägband sein. Wenn man einen Oberstoff benutzt, sind Streifen aus dem Oberstoff schöner. Da man die nicht diagonal zuschneiden muß, sollten sie bei der obigen Stoffmengen-Angabe aus den Resten rausgehen. Rechne mit 2 Metern, 2,5-3 cm breit. Bei Band mit Webkanten, die man nicht nach innen umschlagen muß, reichen 2 cm Breite.

Da wir gerade bei Band sind: Schnürband. Es muß nicht unbedingt spezielles Korsettband sein, aber das Band sollte schon einiges aushalten und obendrein nicht allzu rutschig sein. Anorakkordel und was man sonst noch so bei den normalen Kurzwaren findet hält normalerweise nicht viel aus. Manchmal gibt es Schnürsenkelband am laufenden Meter; das eignet sich gut, sofern es dünn genug ist, daß es durch die Schnürösen paßt. Die Menge hängt davon ab, wie breit die Schnürlücke sein wird und wie viele Ösen man macht. Mit 5 Metern ist man auf der sicheren Seite. Für die Schnürösen brauchen wir eine Lochzange, handelsübliche zweiteilige Metallösen*** (je nach Korsettlänge und gewünschtem Lochabstand 22-36 Stück plus Verhunzungszugabe) und einen Hammer. Einteilige Metallösen (d.h. ohne Unterlegscheibe) gehen notfalls auch, reißen aber leichter aus. Wähle Lochgröße 3-4 mm, maximal 5 wenn es nicht anders geht.

Und schließlich die Schließe, die man meist dort bekommt, wo man auch Fischbeinersatz kauft. Die Länge richtet sich natürlich danach, wie lang die Vorderkante des Korsetts ist, und das wiederum hängt von der Körpergröße und dem Stil des Korsetts ab. Am besten mißt Du das an Deinem Schnitt ab. Das Planchet muß nicht unbedingt ganz von der Oberkante bis zur Unterkante reichen, wie dieses Beispiel zeigt. Die folgende Tabelle gibt nur ungefähre Maße an. Längere Planchets als 34 cm habe ich noch nicht gesehen.

Körpergröße: Kurzes Korsett (-1875) Langes Korsett (1876-1895)
160-165 24-28 28-32
165-170 28-30 30-34
170-175 30-32

32-34

175+ 32-34 34+

Ich kenne vier Sorten Schließen, die aktuell im Handel sind: Gerade ca. 1 cm breite, plastikummantelte, gerade ca. 2 cm breite aus Edelstahl, unten breiter werdende aus Edelstahl (dafür ist mir kein historisches Vorbild bekannt) und Löffelplanchets. Letztere unterscheiden sich allerdings von den historischen dadurch, daß die von der Seite betrachtet weitgehend gerade sind und sich nur am untersten Ende etwas einwärts wölben. Wie auf der vorigen Seite ausgeführt, waren historische Löffelplanchets so gebogen, daß sie sich auf Taillenhöhe einwärts wölbten und auf Unterbauchhöhe auswärts (und ganz, ganz unten wieder ein wenig einwärts, siehe Bild rechts), was überhaupt den besonderen Wert von Löffelplanchets ausmacht. D.h. bei der modernen Variante fehlt einmal einwärts und einmal auswärts. Entweder biegt man sich das allzu gerade Löffelplanchet entsprechend dem historischen Vorbild zurecht, oder man pfeift auf den ungefähr doppelten Preis und nimmt gleich ein gewöhnliches, gerades Planchet. Das 1 cm breite, das sich leichter biegt, ist insofern womöglich die beste Wahl, weil es sich an einen einwärts-auswärts-einwärts gebogenen Korsettschnitt eher anpaßt als das starrere 2 cm breite.

Wer ein einlagiges Korsett macht, braucht Leinen- oder Baumwollband für die Tunnel. Die Menge enspricht der Gesamtlänge der Stäbe (mal zwei, wenn man die Tunnel als regelrechte Taschen arbeitet, was bei Gitterstoffen, Band- und Strickkorsetts ratsam ist), plus ca. 3 cm pro Stab.

Zum Material für die optionale Auszier kommen wir im entsprechenden Kapitel.

 

Teil 2: Probestück und Anprobe

 

*) Hierfür sollte man zuvor anhand des Schnittes herausfinden, wieviele Stäbe man braucht, und dann die doppelte Anzahl Endkappen bestellen - plus 10-20% für den Fall, daß man sich verrechnet hat oder welche verhunzt.
**) Ich meine nicht das silbrige Zeug aus dem Baumarkt, sondern Leukoplast o.ä.
***) Wenn man ein weinig sucht, findet man sie auch in anderen Farben als Silber und Gold. Meistens da, wo es auch Korsettschließen und Federstahl gibt.